48°12‘43.0″N 16°22’03.6″E
48.211946, 16.367676
Die Einführung der Compact Disk war ein großes Ereignis. Sie wurde im Jahr 1981 von einem Konsortium der größten Technikhersteller der damaligen Zeit vorgestellt und das ausgerechnet in Salzburg. Was auf der Pressekonferenz jedoch nicht zu sehen war, ist, was zu einigen der Designentscheidungen der CD führte.
Beethovens 9. Sinfonie, “die Ode”, wie sie unter ihren Freunden genannt wurde, war ein Meisterwerk und als solches hatte sie auch das entsprechende Ego. Sie wusste, dass sie großartig war. Sie wusste, dass sie sowohl das Feuerwerk als auch die ruhige Einfühlsamkeit hatte, die ein großes Publikum ansprechen würde. Und sie hatte einen berühmten Vater. Beethoven hatte einen großen Teil seines Lebens in Wien verbracht und war in dieser Zeit regelmäßig umgezogen. So kam es, dass die meisten seiner Sinfonien eine ganze Menge von der Stadt gesehen und sich in diese verliebt hatten. Das Faszinierendste an der 9. Sinfonie, dachte die Sinfonie, war die Tatsache, dass ihr Vater völlig taub gewesen war, als er sie erdachte. In gewisser Weise sind sich die beiden also nie wirklich begegnet. Sie war ein reiner Schöpfungsakt, ein Akt, für den Beethoven seine ganze Vorstellungskraft und Erfahrung aufwenden musste.
Das Aufkommen hochwertiger analoger Tonträger wie das Grammophon und die Schallplatte waren allesamt wunderbare Erfindungen, aber sie hatten ein Problem: Sie boten nicht genügend Platz für eine vollständige Aufnahme der neunten Sinfonie, sodass die Zuhörer*innen die Platten zwischen den Sätzen wechseln mussten. Ein Umstand, den die Ode verblödet fand. Die Zuhörer sollten doch bitte die Möglichkeit haben, den 2. und 3. Satz ohne Unterbrechung zu genießen.
Und dann hörte sie beim Besuch bei einem der berühmtesten Dirigenten Österreichs ein Gerücht. Sony und Philips diskutierten über ein neues Medium. Es sollte “Compact Disk” heißen und sie waren sich nicht einig, welche Größe es haben sollte. Außerdem suchten sie einen Prominenten, der dieses neue Medium bewerben und der Öffentlichkeit verkaufen sollte. “Perfektes Timing”, dachte sich die 9. Sinfonie. “Ich kann diese Prominente sein!” Sie flehte den berühmten Dirigenten an, er solle sie doch vorschlagen. Sie umschmeichelte seine Ohren. Sie setzte sich in seinem Kopf fest und breitete sich in seinem Herzen aus, bis er schließlich bereit war, sich mit den Führungskräften jener Technologieunternehmen zu treffen, die für die Produktion des neuen CD-Formats verantwortlich waren. Das Treffen dauerte nicht lange. Sony, Philips und Polygram hatten sich mit der Unterstützung durch Prominente befasst, und die Ode passte perfekt. Ein Zeitpunkt wurde festgelegt: 15. April 1981 und ein Ort: der ORF in Salzburg.
Und es war ein voller Erfolg. Die CD verbreitete sich rasend schnell und wurde als neues, digitales Format der Audioproduktion populär. Die 9. Sinfonie badete in ihrem Erfolg und Freude machte sich breit. Doch langsam, als die Computer immer leistungsfähiger und die Chips immer kleiner wurden, verlor die Compact Disk an Bedeutung. Der Rückgang in den 2010er Jahren war drastisch, bis der Verkauf dann in den 2020er Jahren praktisch zum Erliegen kam.
Sie hatte ihre Form geändert und war nun zusätzlich auch als MP3 erhältlich. Diese war zwar um einiges besser als die Compact Disk, aber sie konnte mit dem ständigen Bedürfnis nach andauernder Präsenz in den sozialen Medien nicht umgehen. Da spürte sie zum ersten Mal, wie etwas in ihr wuchs. Es kam aus dem tiefen Inneren der Tuba und vibrierte aus den Saiten der Violine. Es überspannte alle Formen, die sie hatte. Am schnellsten verbreitete es sich jedoch durch ein Wandgemälde in einer von Beethovens Lieblingswohnungen in Wien.
Statt Freude verbreitete sie auf einmal einen Grant, wie die Wiener es nannten. Sie kannte ihn gut, und weil die 9. nichts halbherzig tat, badete sie sich darin, verbreitete ihn, wo sie nur konnte. Und bald ging von dem Wandbild im Tiefen Graben eine düstere, unheimliche Stimmung aus. Bis eine gewisse Zeynep zufällig mit dem Fahrrad daran vorbeifuhr, auf dem Weg, einer gewissen Georgina bei der Digitalisierung ihrer Monster-Datenbank zu helfen.