Inhaltswarnung: besonders brutale Großstadtlegende!
Sie waren ein Teil der alten Magie. Als zwei Putten bewachten sie den Eingang zu einer, für manche gar teuflische Rutsche. Trügerisch standen sie da, mit ihrem falschen Heiligenschein und begrüßten ihre Gäste zu ihrer Holzrutsche. Ein Faktor, der ihre Besucherinnen und Besucher beruhigte, war, dass sich, bei solch netten Gastgebern, die Geschwindigkeit wohl in Grenzen halten würde. Offensichtlich jedoch hatte der Teufel seine Hand bei den 100 Metern bis zum Boden im Spiel. Jedes Mal, wenn jemand in den Jutesack kroch, um nach unten zu rutschen, schob er noch ein wenig an, sodass sie am anderen Ende erschrocken ankommen würden. Er liebte es, die abenteuerlustige Praterkundschaft zu necken.
Er konnte sich noch an die alte Magie erinnern, die hier lag. Eine Magie, die man nicht so einfach vergisst. Geboren in Aufregung, Mysterium und ein klein wenig Furcht. Nur ein bisschen. Genug, damit einem die Haare zu Berge standen, aber nicht genug, damit man wirklich Angst hatte. Das bereitete ihm große Freude, während er seinen Gästen die Nase zeigte.
Alle drei waren sie seit Anbeginn da, als Nikolai Kobelkoff die Rutsche 1913 baute. Sie hatten sie gesehen und sofort entschieden einzuziehen. Es machte ihnen Spaß, die Gäste ein wenig zu necken. Ihnen Gruselgeschichten am Weg den Turm hinauf ins Ohr zu flüstern.
An einem besonders grauen Herbstabend erzählten die “Engel” einem Besucher über eine lose Latte in der Rutsche. Sie stand aus dem Boden nach oben und als eine Frau nach unten rutschte, stieß sie mit solch großer Wucht auf, dass diese sie durchbohrte und die Frau starb. Das war in den 50ern, nachdem die Rutsche, nach dem Brand im zweiten Weltkrieg, restauriert worden war. Die Legende verbreitete sich rasend schnell. Alsbald hatten die Praterbesucherinnen und -besucher zu große Angst, um sich in die Nähe der Rutsche zu trauen. Es war natürlich nur eine Geschichte, aus ihrer wilden Fantasie geboren. Aber es war zu spät, der Turm Richtung Himmel blieb leer.
Bald wurden sie einsam. Niemand wollte mehr den Toboggan runterrutschen. Die Besucherinnen und Besucher hatten zu viel Angst. Die Bengel hatten nie beabsichtigt, dass es so weit kommen würde. Sich ein wenig zu Fürchten ging in Ordnung, ein wenig Angespanntheit konnte Spaß machen, aber echte Angst war dann doch zu viel. Sie lebten von der Energie der abenteuerlustigen Praterbesucherinnen und -besucher. Wenn niemand zu ihrer Attraktion kam, würden sie bald zugrunde gehen. Es wurde schwarz um sie herum. Etwas vernebelte ihre Gedanken. Sie konnten das Licht am Ende des Tunnels nicht mehr sehen. Sie waren ausgezehrt, ohne Energie und ihre Magie verblasste.
Jahre vergingen. Dann, auf einmal, suchte jemand nach ihnen. Wie immer, wenn der Toboggan geöffnet war, traten sie ein wenig zur Seite, oben auf der linken Seite im Turm, damit Besucherinnen und Besucher ihren Aufstieg wagen konnten. So sah es aus, als ob nur einer von ihnen zugegen war. Der andere stand allerdings auf der anderen Seite und starrte den Besucher*innen auf den Rücken, als diese, an ihnen vorbei, nach oben gingen. Obwohl das Tor geöffnet war, hatten sie es aufgegeben, dass irgendjemand diese teuflische Rutsche runterrutschen würde. Doch dann rief jemand aufgeregt: “Ich habe sie! Es ist das Tor da oben, zwischen Turm und Brücke.” Und just in dem Moment, riss es sie aus ihrer Starre. Als Show-Engel geboren, sprangen sie sofort zurück in Aktion und begannen ihre Gäste freudig herein zu bitten, für einen spaßigen Tanz um den Turm. “Kommen Sie, kommen Sie! Fühlen Sie den Wind in den Haaren, während sie zurück zum sicheren Boden düsen! Aber seien Sie vorsichtig! Der Teufel könnte hier die Hand im Spiel haben!”