48°12‘35.2″N 16°22’30.7″E
48.209785, 16.375206

Sie konnten sich nicht an eine Zeit erinnern, in der die beiden nicht schlecht gelaunt waren. Es war ihnen sozusagen in den Stein gemeißelt worden. Sie waren schon schlecht gelaunt, als hier noch der Regensburgerhof stand, von dem sie das einzige Überbleibsel waren. Man hatte sie quasi so geschaffen. 

Kurz nach dem großen Umbau 1897 dann, hatte man ihnen außerdem den Gutenberg vor die Nase gesetzt. Überlebensgroß prägte die Statue nun den Platz und niemand beachtete mehr die beiden Kragsteine links und rechts am Orendi Haus. Es hieß nur noch “Gutenberg, Gutenberg, Gutenberg”. 

Niemand half ihnen mehr, nach ihrem verlorenen Sohn Ausschau zu halten, was der eigentliche Grund war, warum sie so am Haus hingen. Dabei waren so viele ausgewandert, Künstler*innen, Literar*innen, Wissenschaftler*innen. Die Stadt wurde leer und vereinheitlicht. Besonders der Paul ging ihnen ab. Mit seiner frischen Art die Dinge zu sehen, war er einer, der immer neue Ideen in sein Notizbuch kritzelte. Der Herr Ingenieur, wie sie ihn gerne nannten.

An einem ihrer ersten Treffen hatte Paul von seiner neuesten Erfindung erzählt, die er auch irgendwie dem Gutenberg zu verdanken hatte. Da waren die beiden neugierig geworden, weil der Gutenberg, auf den waren sie nämlich nicht so gut zu sprechen… 

Paul aber hatte da eine Idee gehabt. Man müsste doch diese neuen elektronischen Bauteile, mit denen er sich beim Radiobau täglich beschäftigte, auch irgendwie drucken können. Wie der Gutenberg mit dem Buchdruck sozusagen! Fotochemisch ins kleinste Detail präzise ausgeführt. Paul war überzeugt, die Idee war bahnbrechend. Er war sicher, wenn er sich nur genügend anstrengen würde, würde dieses neue Verfahren reißenden Absatz finden. 

Oder so dachte er. Nach den ersten Absagen, wurde ihm schnell klar, dass sich keiner so richtig für seine Idee interessierte. Überall hieß es nur: „Unsere Mädchen in der Montage sind billiger und flexibler.“ Keiner verstand den Nutzen, eine fertige Platine zu verwenden. Noch wurden per Handarbeit einzelne Bauteile vernetzt und gelötet. So fing er an, an sich selbst zu zweifeln.

Die Idee des Buchdrucks in Kombination mit Elektronikteilen war genial, aber sie war seiner Zeit voraus. Einige Jahrzehnte nämlich.

Erst als die Einzelteile elektronischer Geräte immer kleiner, und dadurch schwerer zu handhaben wurden, fingen die Leute an, Gefallen an Pauls Idee zu gewinnen. Wie so oft war es das Militär, welches die Technik zuerst nutzte. Und als die Idee international genutzt wurde, schien keiner dem Patent viel Beachtung zu schenken. Sie kopierten die Technik, ohne der Firma Technograph die nötigen Gebühren zu zahlen. 

Von all dem bekamen die Kragsteine allerdings nichts mehr mit. Es war Jahre her, seitdem der Herr Ingenieur nach London gegangen war. Sie waren eher auf den Umstand fixiert, dass ihr Paul nicht mehr jede Mittagspause auf der Bank beim Gutenberg zu sehen war. Sie merkten gar nicht, dass sie noch grantiger geworden waren. Sie waren ja seit ihrem Entstehen schon nicht gerade freundlich gewesen, aber der Grant jetzt war auf einem anderen Level. 

Bis, eines Tages, unverhofft und plötzlich, jemand neben dem Gutenberg stand und sie anstarrte. Sie waren so überrumpelt, dass jemand zu ihnen nach oben schauen sollte und sie wahrnahm, dass der Grant augenblicklich von ihnen abfiel. Und die Person, die sie anstarrte, konnte fast eine Art Lächeln erkennen, wenn sie sich bemühte.